Mittwoch, 22. August 2012

gifpic

Gifgraphik und Orginalitätswahn.
Ein Original ist ein Original und eine Kopie ist eine Kopie. Das ist die Aussage eines Kunstsammlers, der natürlich nur das Original will und mit Verachtung auf das Volk blickt, das sich keine Originale leisten kann. War schon so, als Bilder in Kupferstich ausgeführt wurden. Kunst für die Mittelschicht, oder für den Bürger, der sich keine Leinwandbilder leisten konnte. Daher wurden die Leinwandbilder als Stich kopiert, es dauerte etwas, bis die Kupfer und Stahlstecher oder Steindrucker daraus eine eigenständige Kunstform entwickelten und nicht mehr nur die Vorlagen kopierten. Graphische Bilder galten deswegen noch als Kunstform, weil sich die Auflage in Grenzen hielt.
Das änderte sich mit der Fotographie. Zwar lieferte die Fotographie noch ein Originalbild, das freilich recht unbrauchbar war. Wer hängt sich eine Glasplatte an die Wand, die zudem noch das Bild negativ darstellt? Wenn, dann den Abzug. Doch von dem lassen sich bekanntlich Abzüge ohne Begrenzung herstellen. Den nächsten Schlag gegen das Originalbild besorgte die fotomechanische Reproduktion. Nun wurden Bilder zur beliebig reproduzierbaren Massenware.
Doch nun wieder zum Originalbild. Was, wenn es kein Original mehr gibt? Dies fing schon in der Zeit vor dem Rechner an. Als die Fotokopierer aufkamen. Nun wurde es möglich, Flugblätter und Kleinzeitungen am Kopierer zu produzieren, sogar mit Bilder. Die zusammengeklebte Vorlage konnte man schwer als Original betrachten, auch in der Drucktechnik betrachtete man weder die Leyoutvorlage noch den Lithofilm als Original, sie waren ja nur technische Arbeitsschritte.
Das Digitalbild ist der bisher letzte Streich gegen das Originalbild, es gibt keines mehr. Das Diggibild ist nur noch eine Bilddatei, die sich beliebig verändern lässt. Als Originaldatei lässt sich da nur noch die Datenlänge betrachten, man kann sie für das Web reduzieren, doch das lässt sich nicht rückgängig machen, deswegen behält man die Originaldatei aus Gründen der Bildqualität, doch nicht in jeden Fall. Man kann heute auch grad ein Bild machen um es durch die Leitung zu mailen. Dafür muß es natürlich verkleinert und die Datengröße reduziert werden. Die Originaldatei wird gelöscht, weil nicht mehr gebraucht. Solche Bilder sind nur für den aktuellen Moment gedacht, nicht für s Archiv oder für die "Ewigkeit."
Kommen wir nun zur Gifgraphik. Selbst wenn die Vorlage gescannt wurde, das ist nicht mehr das Original, die Gifgraphik hat daraus ein eigenständiges Bild geschaffen und das ist dann das Original, wenn man so will. In der erstellten Größe und Datenlänge ist es erstmal das Original bis es weiterbearbeitet wird, dann entstehen wieder neue Bilder. Spart man sich den Ausdruck, dann liegt es nur als Datensatz vor und hat nicht einmal einen materiellen Träger. Es ist eben zunächst für den Bildschirm bestimmt und soll da aufgerufen werden.
Hier ist es endgültig vorbei mit dem Originalistätswahn als eine Art Kult der sich verselbstständigt hat und der für einige Auktionshäuser zur Geldmaschine geworden ist, weil es eben Leute gibt, die schon alles haben und nicht mehr wissen, wohin mit der Asche. Soll deren Problem sein. Man kennt das als Karikatur von Daumier, wo eine Bande älterer Herren, sich mit Argusaugen und Lupe über einen Stapel Stiche hermacht, manisch auf der Suche nach dem ersten Abzug und den letzten Kratzer. Die Karikatur als Steindruck ausgeführt, stammt noch aus dem 19. Jahrhundert und der Zeichner hat genau dieser Spezis von irrsinnig gewordenen Zeitgenossen ein Denkmal gesetzt, ironischerweise als Graphik. Es geht diesen Irren ja nicht um Kunst, sondern um s Geld. Um den "Wert." Doch der Wert eines Bildes oder Originals ist ja nur fiktiv. Es ist wie mit dem Geld, der Wert besteht nur in der Übereinkunft, das es was wert ist. Davon abgesehen, ist es ja nur Farbe auf einen Bildträger, wenn man es auf den Kern reduziert.
Kunst war früher ein Vorrecht, die großflächigen im Auftrag gemalten Bilder bekamen nur wenige zu sehen, die Verbreitung durch Kupferstich und schließlich durch Holzschnitt ließ eine breitere Öffentlichkeit daran teilhaben. Die fotomechanische Reproduktion schließlich demokratisierte die Kunst. Nun konnte jeder eine Reproduktion haben und sich das ins Zimmer hängen. Was soll daran falsch sein? Der Bildinhalt wird ja wiedergegeben, wenn auch natürlich nicht die genaue Form. Ein Farbraster kann den Pinselstrich wiedergeben, doch man kann nicht drüberstreichen und das Relief der Farbe spüren. Dafür hat auch die beste Abbildung Grenzen. Ein Bild eines Feuers ist nicht heiß, ein Wasserbild nicht nass. Man muß es ja nicht übertreiben. Der nächste Schritt ist der Rechner und das Desktop Publishing. Es bleiben zwar nur Farbpixel, dafür lassen sie sich mit geringen Aufwand veröffentlichen. Hier ist nicht die Bildqualität entscheidend, da sich diese nur eingeschränkt wiedergeben lässt, sondern das es öffentlich ist. Eine Zeichnung lässt sich nicht mit allen Einzelheiten und Strichen auf den Schirm darstellen. Der Unterschied ist eben, die Originalzeichnung liegt rum und die sieht keiner, eine reduzierte Bildschirmgraphik gibt den Inhalt wieder und das lässt sich veröffentlichen.
Was unterscheidet ein Leinwandbild aus dem 19. Jahrhundert von einer Reproduktion? Das eine ist eben ein Unikat und der Maler ist längst unter der Erde. Na und? Es ist einmalig? Es lässt sich problemlos nachpinseln. Hier wird eine Sache magisch aufgeladen und mit einer Bedeutung versehen, die sie gar nicht hat. Es bleibt eben doch nur Farbe auf Papier oder Leinwand. Es ist der Wahn von Bekloppten, die ihre Gefühle an leblosen Dingen verschwenden. Wirklich Original ist nur der Mensch. Und das auch nur zeitlich begrenzt, der Mensch von heute ist ein Unikat, morgen ist es schon ein anderer Mensch, weil sich Menschen verändern.
Ein Bild ist einmalig, wenn es Handarbeit ist? Und wenn schon, es sind schon genug verloren gegangen, machen wir halt neue Pics wenn wir wollen. Kleiner Einschub; allein im Rhein Main Gebiet sind in den letzten zwanzig Jahren einige Tausend Graffitibilder zerstört worden. Nur auf Fotos haben sie überlebt und das war ausnahmslos Handarbeit.
Der Originalitätswahn in der Kunst hat seine Vorbilder in den Reliquienkult der Religion. Die Gläubigen wollen eben eine materielle Spur ihrer Heiligen und Märtyrer sehen. Dazu werden eben Gegenstände mit eine Bedeutung aufgeladen, die irreal ist, weil sie nur im Bewußtsein der Beteiligten existiert, zudem sind es oft genug nur Nachbildungen.
Was sich reproduzieren lässt ist nicht mehr Original, sicher hat die Reprotechnik Grenzen. Es gibt Farben, die sind nicht wiederzugeben. Metallfarben kann man nur unvollkommen wiedergeben, die Holographie ist noch nicht digital zu reproduzieren, in Metall oder Glas geritzte Bilder verändern sich mit dem Blickwinkel und naturgemäß nutzt man dies bei Dokumenten wie Euroschein oder Pässe, wo man den Nachdruck möglichst erschweren will.
Zum Abschluß kommen wir zum Wandbild. Das ist fraglos ein Unikat, zudem eines, das man nicht mitnehmen kann, man kann es nur als Foto reproduzieren. Nicht ganz, wer schon mal ein frisches Silberbild gesehen hat, wie es das Sonnenlicht blendend reflektiert, das kann keine Kamera wiedergeben. Na was macht s? Die Technik ist eben nur dazu da, die Realität nachzubilden, nicht zu verdoppeln. Das großformatigste Katzenbild kann keine lebende Katze ersetzen. Keine noch so präzise in Stein gehauene Katzenplastik ist ein Ersatz für eine lebende Katze die sich in den Arm nehmen lässt und der farbigste Bildband vom Meer ersetzt nicht das Erlebnis, selbst barfuss über den Strand zu laufen und die Wellen zu spüren. Und selbstverständlich ist ein Frauenbild kein Ersatz für eine Frau, das ist auch gar nicht Sinn der Sache. Es geht nur darum, sich die Autonomie über die Bilder zu nehmen und sich nichts verbieten zu lassen.
Lass die Irren ihre Unsummen für authentische Kunstwerke verfeuern, stör den Rentner nicht bei seinen Hobby, wenn er mit Stativ und teuerster Diggi ausgerüstet im Zoo steht und zwanghaft versucht die Profis zu imitieren um das perfekte Bild zu schaffen. Muß nicht dein Problem sein, nutz die Technik um was Eigenständiges zu schaffen.
Saul 08