Mittwoch, 13. August 2025

Jugendkultur

Betrachtet man die derzeitige Linke, so fällt dem Altlinken einiges an seltsamen Zeug auf und man fragt sich, ob es daran liegt, daß man alt geworden ist und die heutige Jugend nicht mehr versteht, oder was geht da vor sich? War das früher genauso und man hat es nicht gemerkt, da man ja selbst jung war und die Stoßseufzer der Alten, von der Sorte, ich versteh die Jugend nicht mehr, als Reste der Nazizeit deutete, was ja nicht ganz verkehrt war. Nur äußerten sich diese Vorbehalte in aggressiverer Form. Die müßt man mal …..! In meiner Jugend hat es das nicht gegeben! Zu meiner Zeit hätte man euch alle …..! 
Genau so. Doch auch als Altlinker fällt einen eines auf, wenn man nicht auf dem Niveau der 70er stehengeblieben ist, wie empfanden eigentlich die damaligen Altlinken, wenn man so sagen darf, die Demos und Aufmärsche der ML Sekten?
Soll heißen, diejenigen die den Stalinterror nicht vergessen hatten, die noch selbst erlebt hatte, wie sich die Kommunisten auf Stalins Befehl an den Sozialdemokraten mit ihrer Sozialfaschismustheorie abarbeiteten, und am Ende ihre Anhänger den Nazis auslieferten. Die wenigen, denen es gelang, einen freien Kopf zu bewahren und sich nicht von der Propaganda das Denken verbieten zu lassen. Wenn die am Straßenrand standen und dieses Jungvolk mit ihren Transpis und roten Fahnen sahen, die ihre Parolen riefen und natürlich auf der richtigen Seite standen. Vermutlich dachte sich der eine oder andere, diese Idioten, was wissen die schon? 
Hätte so jemand sich aufraffen sollen, und ihnen das erzählen sollen, was in keinen gängigen Geschichtsbuch steht? Was sowohl von der westdeutschen Geschichtsschreibung ignoriert wurde, als auch von der ostdeutschen Geschichtspropaganda zurechtgebogen wurde, bis es der Partei passte? Hätte ich was verstanden? Kaum. Genau diese Geschichten, die man heute so einfach auf Wiki lesen kann, fand man früher nur in wenig beachteten Schriften mit geringer Auflage. Es dauerte etwas, bis in es größeren Teilen der Linken ankam, daß die sogenannte Geschichte der Arbeiterbewegung, wie man das nannte, nicht unbedingt die Erfolgsstory war, an die man glauben wollte. Oder wenn doch, womit dieser Erfolg erkauft wurde, wer dafür bezahlt hat und wer dabei auf der Strecke blieb.
Wollten wir zuhören oder an die Erfolgsgeschichten glauben, weil die revolutionäre Arbeiterklasse im Alltag eher eine Fiktion als Realität war? 
Und warum linke Jugendreligion? „Als gemeinsame Kennzeichen galten eine synkretistische Lehre aus Elementen des Christentums und fernöstlichen Religionen, die Verehrung einer zentralen Führergestalt, eine totalitäre organische Struktur, Elitebewusstsein sowie Lebens- und Gütergemeinschaft.“ So steht's auf Wikipedia. Und ja, das trifft durchaus zumindest in Teilen auf die politische Kultur der Nachachtundsechziger zu. Mal mehr mal weniger. Marxismus Leninismus zum einen, zum anderen Maoismus, passt irgendwie. An Führergestalten fehlte es auch nicht. Sei es die historischen Parteiführer, oder die selbsternannten Führer der Parteisekten, bis hin zu den informellen Wortführern, die auch niemand gewählt hatte.
Aber gut, man war ja links. Man wollte es sein. Und man durfte es sein, wenn man vom Standpunkt der Rechten ausging. Ein kritischer Satz genügte, man war Kommunist. Die machten es dir leicht. Die real existierenden Kommunisten waren um einiges strenger. Links zu sein bedarf es wenig, denn der Begriff war ohnehin etwas schwammig definiert. Links konnte viel bedeuten. Kommunist dagegen? Was mußte man nicht alles gelesen haben und im Halbschlaf aufsagen können? Man mußte den ganzen Theologenbau kennen, die einzelnen Abteilungen, die erlaubten Räume und verbotenen Gänge, die zu Revisionismus, Reformismus, Spaltertum, Idealismus, Utopismus, Trotzkismus und vielen anderen Formen des Ketzertums führten. Sich einfach hinstellen und behaupten, man sei Kommunist? Könnt ja jeder kommen. So geht’s aber nicht. Wir nehmen doch nicht jeden von der Straße. Und schon gar nicht, wenn er nicht seine 
proletarische Herkunft zweifelsfrei nachweisen kann.
Doch was soll das mit der Jugendreligion? Nun gab es ja diese Sekten mit ihrer totalen Vereinnahmung, Gehirnwäsche und Abschaltung des Verstandes, vor denen nicht zu Unrecht gewarnt wurde. Ideologisch schienen sie das Gegenstück zur rationalen Welt der Linken zu sein. Einige gibt es immer noch, doch ihre Attraktion auf die Jugend ist nur noch gering. Wenn es heute so eine gibt, dann sind es islamische Sekten wie die Salafisten, die sich heute als Rattenfänger betätigen, doch das nur nebenbei. 
Wie schon gesagt, für einen Außenstehenden erschienen weite Teile der Linken der 70er oder auch 80er Jahre wie eine Glaubensgemeinschaft oder eine Erweckungsbewegung. Und wer dazugehören wollte, mußte so einiges an Regeln beachten. Und es waren nicht gerade wenige. Es war sogar für Insider nicht leicht den Überblick zu behalten, was man als Linker alles nicht durfte. Als Kommunist erst? Da mußte man die ganze Sammlung an Gruppen und Vereine kennen und genau wissen, wer von denen Marxist Leninist ist, welche von ihnen sind revisionistisch oder gar trotzkistisch. Mit wen durfte man verhandeln, mit wem durfte man nicht reden. Man mußte wissen, was man lesen mußte, lesen durfte und vor allem, was man besser versteckt im Keller lagerte und wann man diesen zum Lachen besser aufsuchen sollte.
Als Linker durfte man immerhin noch Seyfried lesen, als Kommunist bestand bereits die Gefahr zu versumpfen. Als Linker durfte man noch Asterix lesen, wurd grad noch geduldet, Comics dagegen galten als kapitalistischer Kulturimperialismus der Amis. Pornos wiederum waren Frauenfeindlich (auch wenn sie im Büro und Werkstatt rumgereicht wurden) und daher streng verboten und konnten schnell zur Exkommunikation aus der linken Gemeinde führen. Dazu kam noch die ganze Sammlung an kleinbürgerlichen Verhalten und Denken, daß dem Kommunisten streng verboten war und regelmäßig von einer sachkundigen Stelle überprüft und ausgeforscht wurde. Da konnte sogar der Verfassungsschutz nicht mithalten.
Ende der 70er und in den 80ern gab es auch noch die sogenannte Alternativbewegung und die hatte nicht weniger Gebote und Verbote zu bieten. Wer dazugehören wollte, hatte so einiges zu beachten, vor allem den Dresscode. Der erste Eindruck ist entscheidend, wie es jeden Stellenbewerber gepredigt wird. So auch in dieser Szene. Wer nicht verrottet genug aussah, sah sich schnell als Außenseiter ausgegrenzt, wenn nicht sogar als Bullenspitzel. Es gab auch hier Bereiche, die waren unantastbar und über jede Kritik erhaben. Palästina und Feminismus, nur um zwei zu nennen.
Ob Mler oder Autonomer, die Kulturrevolution zu hinterfragen galt als Verrat. Irgendwann setzte sich eine andere Sichtweise durch. Auf einmal wurden die Opfer sichtbar, die für diese bezahlt haben.
Man mußte stets was gerafft haben. Was das war, war genau so diffus und willkürlich, wie die Beschuldigungen kleinbürgerliches Verhaltens. Sicher hat die Bewegung aus den 80ern richtige Fragen aufgeworfen und da und dort was verändert. War doch nicht alles schlecht, so wie man hinterher in der ehemaligen DDR sagte. Dafür gab es auch in diesen Gruppen allgemein verbindliche Regeln und Verbote. Die DDR war so ein Punkt. Man mochte sie nicht unbedingt, aber irgendwie gehörte sie doch zur linken Welt. Oder zur Welt der Linken. Bis ihnen dann die Mauer auf den Kopf fiel.

Machen wir einen Zeitsprung in die Gegenwart. 
Hat sich das was man so übergreifend die Linke nennt, verändert oder sind nur einige älter geworden und neue Generationen nachgefolgt? Die Globalisierungsbewegung war eine der offensichtlichen Neuerungen innerhalb der Linken, auch wenn sie in vielem als Neuauflage des Antiimperialismus verstanden werden könnte. Was interessant ist, sie hatte ihre Ikone. Naomi Klein. Nichts gegen die Klein, so gesehen, doch ich erinner mich, es hieß mal: 'Don't follow leaders.' Ok, was kümmert mich mein Geschwätz von Gestern? Darauf folgten die Klimakids und auch die haben ihre Ikone. Und daß sich auch da so einiges an Fragwürdigen breitmacht ist ja nicht zu übersehen.
Was sich freilich seit einigen Jahren breitmacht, kommt großteils aus den USA von den Unis, in die sich wie es heißt, die Linke zurückgezogen hat, weil sie sich am Durchschnittsami ihren Frust geholt hat, analog zur hiesigen Linken, die sich an der einheimischen Arbeiterklasse lang genug abgearbeitet haben um irgendwann frustriert ihren Abschied vom Proletariat zu verkünden.
Und was da alles so ausgebrütet wurde und wird. Doch der Absatz lässt sich auch so überschreiben. Feminismus ist ne Zier, doch besser lebt sich's ohne ihr. Und wer in Kabul als Frau lebt, hat eindeutig die Arschkarte gezogen. Soor, nicht meine Schuld.
Zusammenfassend gesehen, nennt sich das Genderstudies und gehört mittlerweile zu den Wissenschaften. Eine Minderheit wagt es, sie als Pseudowissenschaft zu bezeichnen und riskiert zur Zielscheibe zu werden. Aus diesem Sumpf entstammt das ganze Genderzeug, die neuen Sprachreglungen und die Vielzahl neuer Geschlechter plus den viele Abkürzungen die sich keiner mehr merken kann und wenn man nicht auf Wiki nachschlagen könnte …... genau. 
Schaut man sich im Netz um, dann scheint es, als wären dies die neuen Regeln denen man zu folgen hat, wenn man heute zur Linken dazugehören will. Und damit mein ich weniger die Linke als Partei, die bekanntlich in erster Linie aus Altlinken besteht. Es geht hier um die aktuelle Mittelschichtklinke von höherer Bildung, mit dem Netz vertraut und beruflich auf die Medien zielend. Da scheint es derzeit zur Eintrittskarte zu gehören, daß man gendert, zum Feminismus Ja und Amen sagt, die neusten Verbote der kulturellen Aneignung befolgt, die Minderheiten vor diskriminierenden Bezeichnungen schützt (nicht daß man sie erst gefragt hätte), den alten weißen heterogenen Mann in den Orkus, Hades oder in die Unterwelt wünscht und zahllose Verbote aufstellt daß man bereits ein Nachschlagewerk erstellen könnte.
So wie es damals gar nicht so einfach war, all die Buchstabenkürzel der Befreiungsbewegungen und Parteien zu kennen, die man aber kennen sollte, wollte man in der Debatte überhaupt ernst genommen werden, ist es heute ebenfalls nicht leicht die Übersicht über all die Verbote und Fallstricke zu behalten, die es zu beachten gilt, will man nicht als Rassist und alter weißer Mann enden und aus allen linken Zusammenhängen ausgeschlossen werden.
Und diese Gendersprachler und Minderheitenschützer haben durchaus was von einer religiösen Sekte an sich. Sie sind nicht bereit zu diskutieren, sie wollen predigen. Sie wissen daß sie recht haben und müssen nur ihre Weltsicht verbreiten. Sie sehen sich als die Speerspitze des Fortschritts und sind überzeugt, ihre Sichtweise anderen aufzwingen zu dürfen, denn es ist ja für eine gute Sache. Wer zu ihnen gehören will, hat zu gehorchen und nicht zu zweifeln. Kritik ist Verrat und wird als persönliche Beleidigung aufgefasst.
Dazu gehört natürlich auch das kritiklose Befürworten der Einwanderung vorwiegend muslimischer junger Männer, bei gleichzeitigen Vorbehalt gegen Flüchtlinge aus der Ukraine. Wer das auch nur anspricht, gilt als Rassist und AfD.
Doch ab und an wird ihr Wahn mit der Realität konfrontiert. Wenn auf einer Demo gegen den Ukrainekrieg etliche einen Redner auspfeifen, der sich gegen Waffenlieferungen ausspricht, ist dies in ihrem Weltbild ebenso wenig vorgesehen, wie das konservative Gesellschaftsbild von migrantischen Jugendlichen, wenn sie den neuen sexuellen Minderheiten wenig abgewinnen können, um das mal moderat auszudrücken. Ironischerweise gehören die aber auch zu der schützenswerten Minderheit, was sie selbst wenig interessiert.
Doch wie das mit den Sekten so ist, wenn die Realität stört, dann raus mit ihr aus unserer kleinen heimeligen Fiktion. Und genauso mit denen, die es wagen auf diese zu verweisen.