Ja wie anfangen? So etwa? Du bist links, warst auf vielen Demos, steht's dabei, wenn man dich ruft gegen das Unrecht in der Welt anzutreten. Was auch sonst, du gehörst schließlich zu den Guten.
Glaubst?
Seit einiger Zeit scheint das aber nicht mehr so einfach zu sein. Wer zu den Guten gehören will, der muß heute schon einiges beachten. Da scheint sich mittlerweile ein ganzer Katalog an Geboten und Verboten angesammelt zu haben und überall lauern die Fehltritte, die zu sofortigen und gnadenlosen Ausschluß aus der Gemeinschaft der Guten führen.
Altgediente Linke werden sich erinnern. Kennen wir das nicht? Aber sicher. In den Siebzigern gab es einen ganzen Haufen unsichtbarer Gebote die darüber wachten, was man als Linker so darf und was mal gar nicht ging. Überall lauerten die Fallstricke.
Der politische Gegner hielt sich zwar nicht mit solchen Differenzierungen auf, wenn Linke nach Drüben oder gleich ins KZ gewünscht wurden. Da wurde jeder als links oder gleich als Kommie akzeptiert, der so aussah oder roch.
Untereinander freilich ging das nicht ganz so einfach zu. Man mußte über die feinen Unterschiede Bescheid wissen, welche die einzelnen Gruppen voneinander trennten oder sogar zu Todfeinden machten. Man mußte die Namen diverser Befreiungsbewegungen in der dritten Welt kennen und wer damit ankam, ja die DDR ist doch irgendwie auch sozialistisch, der hatte es in diversen Kreisen verschissen und sich unmöglich gemacht.
Genauso, wer bestritt das die Sowjetunion noch sozialistisch sei, hatte sich damit als Mler bzw. Maoist zu erkennen gegeben. Wer auf die Schauprozesse und die große Säuberung verwies, war automatisch Trotzkist, und wurde nicht erst gefragt, ob er Trotzkifan ist. Wer zur RAF den Einwand vorbrachte, das sind ja irgendwie doch unsere Leute, dessen Naivität erzeugte nur noch indigniertes Naserümpfen.
Man brauchte nur auf die eigene Erfahrung zu verweisen, etwa damit kann ich den Kollegen nicht kommen, man war als hoffnungsloser Reformist abgestempelt. Und wer nicht im Halbschlaf die Feuerbachthese und Antidühring referieren konnte, war raus aus der Debatte.
Wer auf seine persönlichen Erfahrungen im Betrieb verwies und daß er den Kollegen mit Marx und Revolution nicht kommen kann sondern nur selbst zur Zielscheibe wird, der bekam im günstigen Fall zu hören, das kann man nicht verallgemeinern. Im weniger günstigen Fall lautete der Vorwurf, man würde die Arbeiterklasse verhöhnen.
Oder wagte es wer, zuzugeben, das Kapital hab ich nicht geschafft. Wurd mir irgendwann zu mühsam und langweilig!? Kaum, man hätte sich damit endgültig disqualifiziert.
Wie schnell man zum Trotzkisten, Reformisten, Utopisten oder sonstigen Isten werden konnte, da genügte ein falsches Zitat, ein falscher Satz oder bereits ein Komma an der falschen Stelle.
Bei den Hardcoremarxisten reichte es schon, nicht die gängigen Stellen zitieren zu können und damit mußte man dich nicht mehr ernst nehmen.
Mit der Zeit änderten sich die Themen die gerade in waren und dann mußte man neuerdings was von neuer Sensibilität gehört haben. Oder die gerade in Mode gekommenen Psychotheorien. Man war betroffen von dem und diesen und wer das nicht so recht nachvollziehen konnte, der hatte in diesen illustren Kreisen nichts verloren.
Also mal wieder nichts Neues unter der Sonne.
Ende der Siebziger war Staatsverdrossenheit angesagt. Staat hau ab, hieß es an der Wand. Mit den Wahlerfolgen der Ökolisten war auf einmal wieder Staat in. Man konnte sich wieder dran beteiligen und ohne schlechtes Gewissen wählen gehen.
Und daran hat sich bis heute wenig geändert. Immer wieder tauchen wie aus dem Nichts plötzlich neue Theorien auf. Und wer dazugehören will, sollte sie kennen um zu wissen, was er ab jetzt noch sagen darf und was nicht.
In der Alternativpresse tauchte die neue Schreibweise des BinnenI auf und daran hielten sich alle, die dazugehören wollten.
Die Alternativpresse, was ist eigentlich daraus geworden? Kennen viele schon gar nicht mehr.
In den Achtzigern entdeckte die Linke den Rassismus und es wurde zum Dauerbrenner in den linken Medien, bis man es nicht mehr lesen wollte. Bereits da begannen ganz Eifrige ihre Umwelt nach rassistischen Spuren abzusuchen und wurden fündig.
Die reale Welt pfiff darauf und der Rassismus tobte sich dann im Osten aus, als die Asylantenheime brannten. Irgendwie schien die Rassismusdebatte im Osten nicht so recht angekommen zu sein.
Doch wir sind noch lange nicht fertig mit der Rettung der Welt. Aus den USA kommen immer neue Ideen rüber und finden ihre Deppen ….. ähm Anhänger, die nur auf den wahren Glauben gewartet haben.
Nach der Diskussion über Rassen bis hin zu der Auffassung, das es sie gar nicht gibt, ist nun eine über das Geschlecht angesagt und da geht es mitnichten um Gleichstellung, Gleichberechtigung und die traditionellen Forderungen zum Thema. Nein, es geht darum, daß es gar keine Geschlechter gibt. Das ist nur ein gesellschaftliches Konstrukt. Und wenn wir schon dabei sind, auch wenn sich das schräg anhört, erst gibt es keine Geschlechter, weil nur konstruiert dann gibt es auf einmal mehr als Sechzig davon, die mit diversen Abkürzungsbuchstaben bezeichnet werden.
Wer nicht weiß, was LBGTQ …. usw. bedeutet, sieht nicht nur ganz schnell alt aus, er ist es auch.
Parallel dazu ist grad eine Auseinandersetzung zum Thema Kolonialismus angesetzt und hier geht es um den alten weißen Mann der an allem schuld ist. Das Feindbild schlechthin und da dürfen sich auch gestandene Linke angesprochen fühlen, wenn sie weiß, westlich und alt sind. Frauen sind da nicht betroffen, versteht sich.
Doch auch wer jung ist und noch nicht zu den alten weißen Männern gehört, soll sich keineswegs sicher fühlen sondern seine Privilegien als weißer Mann erkennen. Was heißt, schuldig per Definition. Keine Gnade, keine Ausreden. Die weiße Frau hat damit freilich nichts zu tun, wer käme auch auf so eine Idee?
Doch Rettung naht. Der weiße Mann muß seinen bevorzugten Status erkennen und freiwillig dem ….. oh weh, wie drück ich das jetzt aus, ohne mit Schimpf und Schande aus allen linken Zusammenhängen verjagt zu werden? Ja er muß Platz machen und zwar dem schwarzen, dunkelhäutigen, farbigen Mann migrantischer Herkunft? Was für ein Rassismus wieder. Oder schreib ich besser, der person of colour? Man sieht …. wie bitte? Mann/Frau sieht oder besser Mensch sieht ;-))) gerade da lauern die Fallstricke der Sprache und langsam fragst dich, sind weite Teile der Linken irrsinnig geworden? Aber wie gesagt, Rettung naht. Genau dieser weiße Mann sollte sich Asche aufs Haupt streuen und für seine Jahrhundertealten Sünden des Kolonialismus, des Rassismus und der Unterdrückung Abbitte leisten.
Sind wir auf einmal bei der Kirche gelandet? Genau das kennen wir doch von Christentum, das den Menschen aufgrund der Erbsünde zu steten Bußübungen auffordert, will er nicht in der Hölle braten. Weite Teile der Linken scheinen dem Christentum näher zu sein, als sie glauben wollen. Netter Wortwitz. Dabei hatte man es doch nicht mehr so damit. Wurde die Kirche mit ihrer Haltung vor allem zum Gebärzwang, Frauenverachtung und Legitimation der Machtverhältnisse, von Linken nicht stets als Institution des kapitalistischen Staates betrachtet?
Es scheint kein Zufall zu sein, wenn man hier Analogien entdeckt. In der Tat verhalten sich etliche dieser Linken wie Gläubige, die nur die Begriffe ausgetauscht haben. Das Paradies heißt nun die herrschaftsfreie, gewaltfreie, feministische, matriarchalische Gemeinschaft in der Friede, Freunde, Eierkuchen angesagt sind.
Nun wir sehen, der alte weiße europäisch westliche (und nicht zu vergessen, ganz wichtig) heterosexuelle Mann ist das Übel der Welt und sollte sich Asche auf‘s Haupt streuen oder möglichst schnell abtreten.
Der dunkelhäutige, muslimische, schwarzafrikanische Mann darf sich beruhigt zurücklehnen. Er ist nicht gemeint und steht unter Artenschutz. Der kann sich wie ne Wildsau benehmen, Frauen im Rudel belästigen (Köln), seine Töchter wegsperren, ihnen Schwimmunterricht und Fahrradfahren verbieten und sie zwangsverheiraten. Das auch nur zu thematisieren ist Rassismus und nützt nur den Rechten.
Es scheint bekloppt zu sein, aber genau so ist es. Die Vertreter des reaktionären Islams haben in einigen Teile der Linken ausgezeichnete Verbündete gefunden.
Sie werden sich zu bedanken wissen. Da wo sie die Macht haben, hängen sie Linke zum Dank am Baukran auf.
Noch besser beschreibt dies
PS: Aus der TAZ
3.5.21
„Deutschland ist längst ein Einwander:innenland – mit Erfolgs-und Misserfolgsgeschichten migrantischer Menschen.“
So steht‘s in der Taz zu einer Buchrezension. Um die soll es grad nicht gehen, nur um die Sprachverunstaltung. Einwanderer:innenland! Innenland? Außenland oder doch Binnenland? Ein Wort über das man beim lesen stolpert.Es passt nicht so recht in den Wortschatz. Doch die Taz will ja PC sein und gendergerecht schreiben. Es ist ein Trauerspiel sich das mit ansehen zu müssen. Da verbiegen sich eigentlich intelligente Menschen das Hirn, um einer Ideologie zu folgen. Das hatten wir bereits, dummerweise scheint das bei den heutigen Generationen nicht so recht angekommen zu sein. Sonst könnten sie sich wundern, daß diese Denkverbote schon einmal Schaden anrichteten und es den Beteiligten lange erschwerten sich von einer verkehrten Politik abzuwenden.
Neue Zeiten brauchen wie es scheint neue Götter, an denen man glaubt. Nachdem die Götter des Marxismus Leninismus abgedankt haben, sucht man nach neuen und die heißen Rassismus, PC, Gendersprache und Minderheiten.
Und dafür wird unschuldiges Papier mißhandelt.